Eine Nordhäuser Familie mit Gold im Blut

66 Jahre Handwerkstradition in einer Familie – eine Besonderheit in unserer schnelllebigen Zeit. Der Goldschmiede Wäldrich & Sohn in Nordhausen ist es gelungen. Ein Bericht der Thüringer Allgemeine vom 07.05.2019

Bereits seit 1953 ist das Gewerbe eine feste Größe in der Rolandstadt. In diesem Jahr machte sich Heinrich Wäldrich, der Vater des heutigen Besitzers Klaus Wäldrich, mit einer Werkstatt in der Geseniusstraße selbstständig. Damals allerdings noch ohne Ladenlokal.

Foto: Lisa Martin

„Nach dem Krieg war es schwer, geeignete Räume zu finden, weil alles kaputt war“, erzählt Klaus Wäldrich. Nach einigen Jahren erfüllte sich in der Ernst-Thälmann-Straße schließlich aber doch noch der Traum von einem Ladenlokal. Im väterlichen Betrieb absolvierte auch der Sohn Klaus Wäldrich bis 1959 seine Lehre zum Goldschmied. Zehn Jahre später kam der Meistertitel dazu. Folglich kann der Goldschmied in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum feiern.

Ebenso wie für den Goldschmiedemeister stand es auch für seinen Sohn Steffen außer Frage, dass er dasselbe Handwerk erlernen würde wie bereits sein Großvater und Vater vor ihm. 1991 schloss Steffen Wäldrich seine Ausbildung ab, heute sind er und Klaus Wäldrich auf Augenhöhe: Seit 1993 leiten Vater und Sohn das Unternehmen gemeinsam. Und obwohl der 77-Jährige in der Zwischenzeit bereits seinen verdienten Ruhestand genießen könnte, mischt er bis heute immer noch kräftig im Betrieb mit. „Ich mache das, so lange es geht“, sagt Klaus Wäldrich, der im Jahr 1941 geboren wurde.

Neben den beiden Männern trifft man meist auch Klaus Wäldrichs Ehefrau Erika im Laden an. Sie scheint ebenfalls noch lange nicht an die Rente zu denken. Bei so viel geballter Familienkraft könnte man davon ausgehen, dass es auch öfter mal zu Streitereien kommt. Aber stattdessen beschreibt Klaus Wäldrich die Zusammenarbeit als „Teamwork“, bei der jeder genau wisse, wo es langgeht.

Auf die lange Tradition seines Ladens angesprochen sagt der Goldschmiedemeister, es komme heutzutage nicht mehr oft vor, dass handwerkliche Betriebe bereits seit drei Generationen in Familienhand sind. „So lange muss man erstmal durchhalten.“ Dabei stellte sich bei Wäldrich & Sohn in schwierigen Situationen nie die Frage, ob man weitermachen oder aufhören soll. Auch wenn die Zeiten manchmal wenig rosig aussahen.

Mit gemischten Gefühlen erinnert sich Klaus Wäldrich zum Beispiel an die Zeit vor der Wende zurück, als das Material für die Schmiedearbeiten vom Staat zugeteilt wurde: „Damit mussten wir dann zurechtkommen.“ Aus diesem Grund musste man zur Herstellung von neuen Schmuckstücken oftmals erst vorhandenen Schmuck oder Altbestände einschmelzen.

Besonders Trauringe seien diesbezüglich ein großes Problem gewesen, wie Klaus Wäldrich erzählt. So benötigten Goldschmiede mehr Material, weil Trauringe ein Leben lang gebraucht werden und dementsprechend nicht zu dünn sein dürfen. Im Notfall, erinnert er sich, mussten die Großeltern oder Eltern des Brautpaares ihre Ringe opfern.

Auch heute sieht der 77-Jährige manches kritisch. So beobachtet er, dass die Menschen handwerkliche Arbeit weniger zu schätzen wüssten. Alles müsse schnell gehen, dabei gibt der Goldschmied zu bedenken, dass Handwerk vor allem eines benötige: Zeit. Für ihre Geduld bekommen die Kunden im Gegenzug ein persönliches Schmuckstück, das es nirgendwo sonst noch einmal gibt.

Trotz dieser Kritik ist Klaus Wäldrich allerdings zufrieden mit seinem Betrieb. Er erfreue sich an seiner treuen Kundschaft. Und diese sich hoffentlich noch weitere 66 Jahre an der Nordhäuser Goldschmiede Wäldrich & Sohn.

50 Jahre Konkurrenz ohne Konkurrenzkampf

Die Nordhäuser Goldschmiede Klaus Wäldrich und Hans-Jürgen Nüßle verbindet mehr als nur der Goldene Meisterbrief. Ein Bericht der Thüringer Allgemeine Nordhausen 25.05.2020

Kann man in einer vergleichsweise kleinen Stadt 50 Jahre lang dem gleichen Gewerbe nachgehen, ohne miteinander zu konkurrieren? Lässt es sich fünf Jahrzehnte um dieselbe Kundschaft buhlen, ohne dem anderen einen zahlenden Einkäufer zu neiden? Ja, das geht. Klaus Wäldrich und Hans-Jürgen Nüßle sind nicht nur die Väter der einzigen verbliebenen Gold- und Silberschmiede in Nordhausen. Nein, sie sind auch Beleg dafür, dass eine friedliche Koexistenz im Einzelhandel zu einer Freundschaft werden kann.

Ein Grundstein dafür sind sicher die unzähligen Parallelen in den Biografien des 78-jährigen Wäldrichs und des ein Jahr älteren Nüßles. Letzterer lacht über all die Ähnlichkeiten in ihrer Lebenslinie. „Bis auf das Schuljahr haben wir fast alles gemeinsam.“ Und das beginnt bereits bei ihren Vätern und noch vor dem Zweiten Weltkrieg: Bei Juwelier Genzel in der Töpferstraße 1, da also, wo heute Nordhausens Kino steht, erlernen Heinrich Wäldrich und Hans Nüßle das Handwerk des Goldschmieds. Aus dem Krieg heimgekehrt, machen sich beide selbstständig.

Wieder nur mit einem Jahr Unterschied steigen in beide Geschäfte auch die Söhne Klaus und Hans-Jürgen ein. Selbst die Berufsschule teilen sich die beiden jungen Männer. „Damals wurden alle Goldschmiede der DDR in Arnstadt ausgebildet. Das war eine super Schule“, erinnern sie sich unisono an ihre ersten Schritte im Handwerk. Die Gesellenprüfung in Erfurt und die Verleihung der Meisterwürde in Dresden sollen folgen.

Aber womöglich sind es nicht all diese Gemeinsamkeiten, die die Männer zusammenschmieden, sondern die für Handwerker schweren Jahrzehnte der DDR. Nachdenklich wirken Wäldrich und Nüßle, sprechen sie über diese Zeit. „Wir hatten ja kaum Material, das gab es alles nur auf Zuteilung“, sagen sie. Zeigen junge Paare heute einfach nur noch auf Ringe im Katalog, so müssen Ehewillige damals selbst oft Erbschmuck mitbringen, der dann für die neuen Stücke eingeschmolzen wird. Da habe man sich oft gar gegenseitig ausgeholfen, erzählen Nüßle und Wäldrich.

Aus dieser Zeit rühren auch die witzigsten Anekdoten. „Ein Kunde hat einmal einen größeren Brillanten abgegeben, den wir in einen Ring einfassen sollten und der plötzlich in die Rille zwischen den Dielen fiel. Wir haben die ganze Bude auf den Kopf gestellt“, erinnert sich Nüßle, während Wäldrich wissend lächelt. Denn wie könnte es anders sein bei so vielen Parallelen: Auch er kennt dieses Gefühl. „Klar, ist mir so etwas auch schon passiert. Da hat man geschimpft, aber am Ende fand sich immer alles wieder.“

Eine weitere Parallele hilft Wäldrich und Nüßle, auch die Zeit der Materialknappheit zu überstehen: Beide werden noch zu DDR-Zeiten Mitglied der CDU. Warum? „Der Leiter der Örtlichen Versorgungswirtschaft war auch drin. Der hat für uns das mit dem Material und den Genehmigungen erleichtert“, lachen beide.

Allerdings sollen selbst die Jahre der Nachwende für die Branche keine einfachen werden, Nüßle und Wäldrich erinnern sich an versuchte Einbrüche in ihre Läden in der Barfüßerstraße Ecke Domstraße beziehungsweise im Altendorf. Und sie wissen um den wahren Konkurrenten, der sich mit dem Internet entwickelt hat. Andere namhafte Goldschmied-Familien wie Ott und Lendewig sind fort, bedauern Nüßle und Wäldrich, die mehr Glück hatten: Schon ab 1991 steigt Klaus Wäldrichs Sohn Steffen mit in das Geschäft ein. Hans-Jürgen Nüßles Sohn Alexander indes gründet 1997 ein eigenes Geschäft in der Bahnhofstraße, das mittlerweile in der Kranichstraße zu finden ist.

Ganz ohne Wehmut blicken aber auch die Väter nicht auf diese Entwicklung – eine vierte Generation beider Familien werde wohl nicht in ihre Fußstapfen treten. „Wenn unsere Söhne aufhören, sieht es schlecht aus um das Goldschmiede-Handwerk in der Stadt“, sagen sie.

Für ihre Zeit in der Branche haben Nüßle und Wäldrich jüngst den Goldenen Meisterbrief der Handwerkskammer erhalten. Eine Zeit wirklich ohne Konkurrenzgedanken? Nach einigem Nachfragen gestehen beide dann doch, dass jeder immer versucht habe, das schönere Schmuckstück herzustellen. „Das gehört halt zum Ehrgeiz eines Handwerkers dazu“, grinsen sie.